die Geschichte des Bürgervereins

Geschichte

Pfiffiger Diebstahl beschert Achterdorpern einen Verein

Dr. Richard Heye sorgt in Hartwarden für helle Aufregung – Erfolgreich bei den Marktumzügen


Von Uwe Stratmann - Rodenkirchen.

Einem pfiffigen Landarzt, der neidisch auf die Hartwarder Bevölkerung blickte und deshalb sechs junge Männer aus dem Ortskern Rodenkirchens zum Diebstahl verleitete, ist die Gründung des heutigen Pfingstbaumclubs und Bürgervereins Achterdorp zu verdanken. An diesem Wochenende feiert der Verein sein 75-jähriges Bestehen und hat dazu viele Gäste in die Rodenkircher Markthalle eingeladen.

Es war das Jahr 1930, als die Weltwirtschaftskrise auf ihren tiefsten Punkt zusteuerte. Inzwischen waren fünf Millionen Menschen arbeitslos. Die Not war groß, und die Menschen suchten den Zusammenhalt.

Ewald Hadeler, der 23 Jahre lang Vorsitzender des Pfingstbaumclubs und Bürgervereins Achterdorp war, pflegt die Vereinschronik, die im Jahre 1951 angeschafft wurde und den Werdegang der Gemeinschaft in allen Einzelheiten festhält.

In Hartwarden war das bereits geschehen. Ein Jahr zuvor hatten die Einwohner einen Pfingstbaumclub gegründet und einen kleinen Baum aufgestellt. Nun, kurz vor Pfingsten 1930, hatten sie sich einen viel größeren Baum organisiert. Sie waren gerade dabei, den Baum für das Fest vorzubereiten, als der Arzt Dr. Richard Heye, der später in den sechziger Jahren noch bekannter wurde durch das Buch „Chronik der Gemeinde Rodenkirchen“, auf dem Weg zu einem Patienten vorbeiradelte. Interessiert schaute er zu, sprach mit ihnen und fragte sie nebenbei, ob sie nicht Angst hätten, dass ihnen der Baum geklaut werde. Die Hartwarder wiesen das weit von sich, denn einen solch großen und schweren Baum könne man nicht stehlen.

Holger Hadeler ist Vorsitzender des Bürgervereins und Pfingstbaumclubs Achterdorp.

Für Dr. Richard Heye war diese kesse Antwort eine Herausforderung. Zurück in Achterdorp, sprach er sechs junge Männer an, die sofort bereit waren, seinen Schabernack mitzumachen. Schon wenige Stunden später, es war bereits weit nach Mitternacht, zogen sie los in Richtung Hartwarden, packten den Baum auf ihre Schultern und gingen zurück in Richtung Rodenkirchen. Weit kamen sie allerdings nicht, denn schon nach wenigen hundert Metern ging ihnen die Puste aus. Erst als sie an einem Haus einen zweirädrigen Handwagen entdeckten und ihn ungefragt ausliehen, ging es weiter. Zu allem Überfluss kam ihnen dann auch noch ein Zollbeamter entgegen. Er wurde zum Stillschweigen verdonnert, wobei die sechs jungen Männer ein gutes Gefühl hatten. Denn der Beamte war so betrunken, dass er sich nach seinem Rausch an die nächtliche Begegnung ohnehin nicht mehr erinnern würde. Schließlich wurde der Baum beim Kriegerdenkmal, heute Raiffeisenbank, unter dem am Tag zuvor frisch gemähten Gras versteckt. Gleich darauf erhielt Dr. Richard Heye eine Vollzugsmeldung.
In Hartwarden herrschte am nächsten Morgen helle Aufregung. „Diebstahl, Diebstahl“, schallte es aufgeregt durch das Dorf. Die Nachricht davon ging wie ein Lauffeuer durch Rodenkirchen. Die Hartwarder suchten überall nach dem Baum – auch beim Kriegerdenkmal, wo sie schließlich das gute Stück fanden.

Die Mitglieder des Pfingstbaumclubs und Bürgervereins Achterdorp organisieren auch Baumpflanzaktionen und sorgen somit für die Dorfverschönerung in Rodenkirchen.

Für sie war die Welt wieder in Ordnung, dem Pfingstbaumsetzen stand nun nichts mehr im Wege. Für die Achterdorper, die in dem damals größten und ältesten Ortsteil Rodenkirchens wohnten, der durch zwei Wurten gekennzeichnet ist, wovon auf einer die Kirche steht, begann eine neue Zeitrechnung. Am 10. Mai 1930 wurde in der Gaststätte Diedrich Dierks, heute Holzbau Harde, Inhaber Stefan Pieperjohanns, der Pfingstbaumclub Achterdorp aus der Taufe gehoben. Gründungsmitglieder waren Richard Bohlken, Fritz de Boer, Fritz Bruns, Bernhard Coldwey, Ernst Dwehus, Johann Haase, Ihno Harms, Johann Martens, Herwig Oltmanns, Heinrich Praß, Georg Schütte, Friedrich Schmidt, Fritz Tebbenjohanns, Heinrich Warns, Adolf Wieting, Ernst Wrobel, der Gastwirt Diedrich Dierks und selbstverständlich Dr. Richard Heye, der 1956 zum Ehrenmitglied ernannt wurde.
Vorsitzender wurde Adolf Wieting. Fritz de Boer nähte die große Vereinsflagge, die Emil Wulf bemalte: ein grüner Rand mit einem weißen Feld in der Mitte, in dem die rote Kirche abgebildet ist. Als Schriftzug wählten die Achterdorper „Vivat Rodenkirchen“. 1931 wurde dann unter großer Beteiligung das erste Pfingstfest gefeiert und der Baum auf dem Grundstück der Bäckerei Wieting aufgestellt. Rudolf Bolte hielt die erste Festrede. Auch in den nächsten Jahren waren die Achterdorper Pfingstfeierlichkeiten das Ereignis des Jahres in Rodenkirchen.

Erfolgreich beteiligt sich der Bürgerverein und Pfingstbaumclub an den Umzügen aus Anlass der Eröffnung des Rodenkircher Marktes.

Doch mit Einzug der Nationalsozialisten änderten sich die Zeiten. 1938 durfte es keinen Umzug mehr geben, auch keine Festrede. Ein Jahr später wurde das Pfingstfest ganz verboten. Stattdessen wurde der Achterdorper Baum von den Nationalsozialisten als Maibaum missbraucht. Der Zweite Weltkrieg brachte das Vereinsleben dann gänzlich zum Stillstand.

Einmal im Jahr treffen sich die Bürgervereine Achterdorp und Strohausen zum gemeinsamen Besenwerfen.

Ein Jahr nach Ende der Schreckensherrschaft kam der Baum wieder zum Vorschein. Die Achterdorper wollten wieder einen Pfingstbaum setzen, doch sie mussten Beschränkungen der Militärregierung über sich ergehen lassen. Der Baum wurde zwar aufgestellt, Rudolf Bolte hielt wieder die Festrede, aber Tanzen war verboten. Um das zu umgehen, hatten die Achterdorper der Polizei allerdings den Tipp gegeben, sich am anderen Ende des Dorfes aufzuhalten. Die hielt sich daran.

Ein Foto vom Festumzug aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Pfingstbaumclubs und Bürgervereins Achterdorp.

1947 kam das Vereinsleben wieder richtig in Gang. Hinrich Hadeler wurde Vorsitzender, sein Stellvertreter Fritz Tebbenjohanns. Als Schriftführer und Kassenwart fungierte Werner Dierks. Die Zeiten waren noch schlecht, doch die Gemeinschaft hielt zusammen. Umzug, Baumsetzen, Musik und Tanz bestimmten die Pfingstfeste. 1950 wurde ein neuer Baum angeschafft. Ein Jahr später legte sich der Pfingstbaumclub auf Vorschlag des 1. Vorsitzenden Hinrich Hadeler eine Chronik zu, die er bis heute in seiner Obhut hat. Darin wird Jahr für Jahr der Werdegang des Vereins genau festgehalten, der auch Laternenumzüge, Ausflüge und Vereinsbälle organisierte

Die Achterdorper pflegen seit Vereinsgründung eine feste Gemeinschaft, die in froher Runde auch feiert.

1961 legte Hinrich Hadeler den Vorsitz aus Altersgründen nieder und wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Für die nächsten sechs Jahre übernahm Gerriet Bohlken die Verantwortung. 1962 wurde eine neue Fahne geweiht und 1965 bekam der Pfingstbaumclub den Zusatz Bürgerverein.

Die Bevölkerung des Dorfes nimmt seit jeher große Anteilnahme am Pfingstbaumsetzen des Bürgervereins.

1967 wanderte der Pfingstbaum zum Hotel Albrechts, weil die Gaststätte Dierks geschlossen wurde. In dem Jahr übernahm Ewald Hadeler, Sohn des ehemaligen Vorsitzenden Hinrich Hadeler, die Geschicke des Vereins. 23 Jahre lang stand er an der Spitze. 1990 trat er zurück. Günther Suhr wurde sein Nachfolger. Und seit 1995 ist Holger Hadeler Vorsitzender des Pfingstbaumclubs. Er setzt damit die Arbeit fort, die bereits sein Großvater und Vater angepackt hatten. Vereinsgeschichte ist eben oft auch Familiengeschichte.

Eine Foto von der früheren Vereinsgaststätte Dierks der Achterdorper. Sie wurde später aufgegeben und einige Jahre später abgerissen.

Neben Holger Hadeler gehören dem Vorstand heute Rolf Mannott als 2. Vorsitzender, Udo Meyer als Kassenwart und Ingrid Rodiek als Schriftführerin an. Der Vergnügungsausschuss setzt sich aus Rolf Winter, Uwe Wieting, Susanne Schmidt, Anneliese Hullmann und Manfred Popp zusammen. Seit 1996 wird der Pfingstbaum an der Grundschule in Rodenkirchen gesetzt.
Dem Verein gehört auch eine große Kinder- und Jugendgruppe an. Die Betreuung haben verschiedene Vereinsmitglieder übernommen, die für den Nachwuchs unter anderem Zeltlager und Fahrradtouren organisieren.

Dieses Foto wurde bei einem der ersten Pfingstbaumsetzen des Bürgervereins und Pfingstbaumclubs Achterdorp aufgenommen. Es zeigt auch die große Vereinsfahne.

Ziel des Bürgervereins ist es seit jeher, „das gemeindliche Leben der Mitglieder in gesellschaftlicher und sozialer Weise zu fördern und gegenüber Dritten zu vertreten“. So mischt sich der Verein aktiv ein, wenn es bei kommunalen Angelegenheiten um den Ortsteil geht.
Im Mittelpunkt steht, die Traditionen zu pflegen und zu erhalten. Dazu gehört neben dem Pfingstbaumsetzen auch die Teilnahme am Umzug aus Anlass der Eröffnung des Rodenkircher Marktes. Mit seinen Festwagen hat der Verein bereits einige erste und zahlreiche vordere Platzierungen erreicht. Von Anfang an sind die Achterdorper beim Marktumzug dabei. Auch die Jugendgruppe steht mit ihren Motiven meistens auf dem Siegertreppchen.
Ausflüge, Knobel- und Skatabende sowie Fahrradtouren und vieles mehr ergänzen das rege Vereinsleben. Dazu zählt auch das immer zu Beginn eines Jahres stattfindende Besenwerfen gegen den Bürgerverein Strohausen.
Im Ortsteil Achterdorp hat sich seit Gründung des Vereins vieles getan. Neue Häuser und Einwohner sind hinzugekommen, aber die Ofensetzerei, die Schmiede, Sattlerei und Seilerei gibt es nicht mehr. Auch die ehemalige Vereinsgaststätte Dierks ist der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Doch all das konnte den Verein nicht erschüttern und deshalb ist er nach wie vor eine feste Größe in dieser Gemeinschaft.

Vorstand und Vergnügungsausschuss des Pfingstbaumclubs und Bürgervereins Achterdorp heute. Das Foto zeigt (jeweils von links) Holger Hadeler und Rolf Mannott, dahinter Anneliese Hullmann und Susanne Schmidt, Udo Meyer und Uwe Wieting sowie Ingrid Rodiek und Rolf Winter. Auf dem Foto fehlt Manfred Popp. Foto: ums